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CRM Trends 2019 - Marketing Automation und viele Ressourcen dazu

Geschrieben von Prof. Dr. Nils Hafner | Gastautor | 20.11.19 07:17

Launige Worte zum Einstieg: Es ist wieder enorm viel passiert. Mein erstes Quartal 2019 war geprägt durch 15 Vorträge zu den CRM Trends des Jahres vor allem in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Norditalien, den Start des CAS Digital Banking, der erfolgreichen Umgestaltung der Weiterbildung am IFZ der Hochschule Luzern und durch ein grosses Beratungsmandat zur Entwicklung einer CX Strategie. Trotzdem entstanden neben einer Analyse von e-mail als Service Touchpoint fünf Blog-Beiträge für Capterra, der Beitrag zu einer grossen CRM Studie und der zu einem neuen eBook "Customer Service Automation". Fast zu schade, um alles hinter diesen Links einfach so zum Download anzubieten.

Ein grosses Schwerpunktthema in allen diesen Co-Produktionen ist Marketing-Automation. Und daher gibt es hier

"Marketing Automation und viele Ressourcen dazu!"

Denn: „Automation“ - Das klingt böse in den Ohren mancher Konsumenten. Sie denken an automatisch verschickte E-Mails, die Potenzpillen, obskure Kredite oder Körperteil-Vergrößerungen anbieten, obwohl man sich nie auch nur im Entferntesten dafür interessiert hat. Auch die ewigen Prospekte von Versandhändlern oder Immobilienmaklern im Briefkasten sind viele leid. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es diese Form des Gießkannen-Marketings noch gibt. Viel Erfolg dürfte sie nicht haben – aber sie kostet eben auch kaum etwas. Doch worauf kommt es wirklich bei der CRM Marketing Automation an?

Kosten sind ein wichtiges Stichwort, denn Automation steht im Ruf, ein Kostensenker zu sein. Klar: wenn Mails oder Briefe automatisch verschickt werden, wenn Werbebanner im Internet automatisch für bestimmte Kunden aufpoppen, dann muss kein Mitarbeiter Zeit darauf verschwenden. Aber Sparen ist nicht der Zweck der Automation. Der Kundennutzen muss im Vordergrund stehen. Der richtige Kunde soll zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Informationen versorgt werden. Dann nervt es ihn auch nicht, sondern freut ihn im Idealfall. Gut gesammelte Daten, die ausgewertet wurden, sind Grundvoraussetzung, um das zu schaffen. Und naturgemäß muss man kontrollieren, ob die CRM Marketing Automation etwas gebracht hat, damit man nachjustieren kann. Das braucht eigene Prozesse, die nicht zum Null-Tarif zu haben sind. Insofern dient die Automation nicht dem Kostensenken, sondern der Kundenzentrierung.

Das ergibt eine klare to do-Liste für die CRM Marketing Automation:

  • Daten sammeln, vernetzen und analysieren,
  • Segmentierung von Kunden und Interessenten,
  • Werbemaßnahmen für die Segmente programmieren,
  • Reaktionen kontrollieren und evaluieren,
  • Maßnahmen anpassen.

Aufmerksame Leser und Leserinnen werden jetzt aufstöhnen. So leicht sich die to-do-Liste liest, so aufwändig wäre es, sie manuell umzusetzen. Erfreulicherweise gibt es Software-Pakete, die dabei helfen die Komplexität zu reduzieren. An der Hochschule Luzern haben wir diverse davon getestet und einen Guide zur Wahl eines Automation-Tools entwickelt.

   
Die wichtigsten Kriterien für die Auswahl eines Marketing Automationstools 
Befragung im Rahmen der Masterarbeit von Andreas Wicki 2018, IKM Blog

 

Ich habe mich auch vor diesem Hintergrund mit dem „bsi Studio“ auseinandergesetzt – eine Art Baukastensystem, das die automatisierte Betreuung von Kunden vom Leadhandling bis zu After Sales gewährleistet. Der Nutzer überlegt nur, welche Customer Story er gerade umsetzen möchte, und bekommt dann passende „Steps“ vorgeschlagen. Beispiel „NPS-Umfrage“: Das System sortiert die Kunden vor und schlägt geeignete Kontaktkanäle für jeden einzelnen vor. Nachdem der Kunde auf einer Landingpage seine Kreuzchen gemacht hat, alarmiert das System automatisch bei schlechten Bewertungen, damit ein Mensch nachfragen kann. Zufriedene Kunden bekommen automatisch ein Dankeschön, Promotoren kommen automatisch auf die Up-Selling-Liste. Schöne neue Welt!

Das Stichwort „NPS“ bringt mich zum Schauplatz des automatisch abgefragten Kundenfeedbacks. Eigentlich ist der Net Promotor Score ja schon einfach genug, doch auf Unternehmens-Fanseiten auf Facebook ist er noch einfacher: Gibt es ein „Like“ oder vielleicht sogar ein „Teilen“?  Und wenn ein Facebook-Cookie oder gar ein -Konto auf den Endgerät eines Kunden gefunden wird, dann werden Kunden nach Online-Käufen gerne automatisiert zur Weiterempfehlung des Produktes auf Facebook angefragt („Teilen Sie diesen Kauf Ihren Freunden mit“). Aber: Achtung! Auch hier gibt es inzwischen ein klares "Zuviel", wie mein Kollege Christian Huldi im Interview mit "20 Minuten" aufzeigt. 

Von Spielzügen zu Spielregeln

Die Fein-Segmentierung, also eigentlich die Vorhersage zukünftigen Kundenverhaltens aufgrund von bisherigem Verhalten, gelingt heute also mit Hilfe der passenden Software in Echtzeit. Wir betrachten dabei Produkt- und Kommunikationsbedürfnisse und Verhalten von einzelnen Menschen und leiten daraus allgemeingültige Spielregeln ab. Wer das schafft, kann den Kunden und den Mitarbeitern das Leben erleichtern. Es gibt dann naturgemäß viele unterschiedliche Kampagnen statt einer Welle, die alles überschwemmt. Und so kann man unterschiedliche Kunden unterschiedlich behandeln. Damit wird man nie fertig. Die Spielregeln müssen ständig getestet, verfeinert und weiterentwickelt werden. Nur so erfahren wir, welche Kommunikationsmaßnahme gerade den größten Erfolg verspricht. (Und wir vermeiden es, Maßnahmen zu ergreifen, die der Kunde nicht autorisiert hat.) Ohne Marketing Automation wäre das eine gewaltige Aufgabe. Schauen wir uns mal ein paar Anwendungsmöglichkeiten an:

1. CRM Marketing Automation bei der Geschäftsanbahnung
Mein Lieblingsvorleser, der leider verstummte Harry Rowohlt, hat diverse wunderbare Ausdrücke geprägt. Einer, den ich nie vergessen werde, ist „die Anschleimphase“. Das ist jene Zeit, in der der Vorleser nette Dinge über sein Publikum und der Ort des Geschehens sagt. So eine Anschleimphase gibt es in der Beziehung zwischen Vermarktern und zukünftigen Kunden auch. Man sucht gegenseitig Informationen übereinander. Und wenn der Kunden beim Surfen im Internet Spuren hinterlässt (vulgo: Cookies aufsammelt), dann können wir ihn automatisch für ihn passende Anzeigen sehen lassen. Später erkennen unsere Systeme automatisch, ob ein Interessent unsere Werbemails öffnet und liest. Dann wissen wir: Er ist reif für die nächste Maßnahme.

2. Dynamisches Pricing
Hat es wirklich mal Zeiten gegeben, in denen der Preis für eine Ware oder Dienstleistung unverhandelbar feststand? Gehörte das Feilschen um Rabatte nicht schon immer zum Handel? (Als Beleg führe ich Monty Pythons „Leben des Brian“ an, in dem schon im römisch besetzten Judäa der Verzicht aufs Feilschen zum Skandal wird.) Umstritten ist die dynamische Preisgestaltung jetzt aber durch ihren automatischen Einsatz in Massenmärkten. In bestimmten Zeitfenstern mit erfahrungsgemäß höherer Kaufkraft erhöhen Fluggesellschaften, Hotels oder Auto-Vermieter die Preise. Das funktioniert mit Hilfe von automatisierten Yield-Management-Systemen z.B. Dynamic Yield. Konsumenten können das bewusst nutzen und sich mitunter auch über massiv sinkende Preise freuen. Wahrscheinlich haben wir uns alle daran gewöhnt. Wenn nun aber aufgrund von individuellen Kundendaten (bisherige Einkäufe, Art des Browsers, Wohnort usw.) ein individueller Preis festgelegt wird, der weit über dem liegt, was ein schwach eingeschätzter Kunde zahlt, dann führt das zu Unmut. Umfragen belegen, dass die Hälfte der Käufer jene Verkäufer boykottieren würden, die kundenindividuelle Preise durchsetzen wollten.

3. CRM Marketing Automation im Retention-Marketing
Es war schon immer vorhersehbar, dass in gewissen Situationen Kunden ein Unternehmen verlassen. Der berühmte gesunde Menschenverstand! Bei Tausenden von Kunden allerdings freut man sich doch, dass der drohende Churn auch vom CRM System automatisch erkannt wird und automatisch individuelle Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können – ein spezielles Treue-Angebot, Gutscheine, eine persönliche Ansprache … Wenn man das für eine größere Anzahl gefährdeter Kunden durchgezogen hat, lernt man mit der Zeit aus den gesammelten Daten, was zieht und was nicht. Im Einzelfall lässt sich dann von einem menschlichen Mitarbeiter oder sogar einem Algorithmus schnell entscheiden, welchem Angebot der Kunde wohl nicht widerstehen kann. Ist ein Kunde schließlich doch zum Ex-Kunden geworden, kann man automatisiert versuchen, ihn etwa über Googles Adwords oder Facebook Ads wieder zu reaktivieren.

Natürlich kann man alles übertreiben. Es ist denkbar, dass automatisierte Angebote – aufpoppende Anzeigen im Internet – von automatisierten Kunden (also von Bots) angeklickt werden. Da Anzeigen im Netz üblicherweise je nach Klickrate bezahlt werden, entstehen durch diese ungewollte Maschine-zu-Maschine-Kommunikation heute wahrscheinlich schon Schäden für die Werbeindustrie von 6,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr (White Ops, 2016).  Eine wunderbare Pointe für jeden fanatischen Konsumenten- und Datenschützer, für den CRM Marketing Automation ein rotes Tuch ist!

 

Dieser Blogbeitrag wurde von unserem Gastautor Nils Hafner verfasst und ist am 24.April 2019 in seinem Blog Hafner on CRM erschienen.